Mein Vater, der Untertaucher

Lucas, für einmal führst nicht du das Interview für eine Content-Story, sondern bist der Interviewte. Wie fühlt man sich als Autor?
Ich fühle mich gut. Zum einen, weil ich es geschafft habe, das Buch zu vollenden – manchmal hatte ich auch meine Zweifel. Zum anderen, weil ich inzwischen schon zahlreiche positive Rückmeldungen und Kommentare erhalten habe. Es ist ja bei einem Buch wie bei jeder kreativen Arbeit: Man ist sich nie ganz sicher, ob sie gut respektive gut genug ist.
War es schon immer dein Wunsch oder sogar ein Lebensziel, einmal einen Roman zu schreiben? Stichwort “Bucket List”.
Eigentlich nicht. Obwohl eine Stimme tief in meinem Inneren mir schon immer sagte, es wäre schön, auch mal etwas zu schreiben, das weniger vergänglich ist als ein Werbetext.
Wie ist die Idee zu diesem Buch entstanden?
Nun, die Story lag ja schon pfannenfertig vor, ich musste sie also nur noch anrichten. Entscheidend dabei war, dass ich von einem Holländer wichtige Informationen über die Widerstandsgruppe meines Vaters erhalten hatte. Dank diesen Informationen und den groben Aufzeichnungen meines Vaters hatte ich genug Material, um mit dem Schreiben zu beginnen.
Wie hast du recherchiert?
Ich habe in Büchern, Zeitungsartikeln und im Internet hilfreiche und wichtige Informationen gefunden. Ich war aber auch über eine Woche in Holland und bin dort den Spuren meines Vaters gefolgt. Dort bekam ich nicht nur ein Gefühl von den Orten, an denen er sich aufgehalten hat, ich konnte mich auch mit Menschen unterhalten und weitere Erkenntnisse gewinnen.
Hast du während der Recherche Neues – auch über deinen Vater – erfahren?
Ich habe vor allem festgestellt, dass einiges, was mein Vater aufgezeichnet hat, nicht den Tatsachen entspricht. Einige Daten und Tathergänge von bestimmten Ereignissen hatte er offensichtlich falsch in Erinnerung. Wobei man sich immer vor Augen halten muss, unter welchem Druck und Stress die jungen Leute damals gestanden haben. Sie mussten ja damit leben, jederzeit umgebracht zu werden.

Wie viel “Wahrheit” steckt in «Der Untertaucher» bzw. was und wie viel ist Fiktion?
Es war mein Anspruch, dass sowohl der historische Hintergrund als auch die Erlebnisse meines Vaters und weiterer Schlüsselpersonen der Wahrheit entsprechen bzw. authentisch sind. “Dichterische Freiheit” habe ich mir bei einzelnen Szenen und Personen aus dramaturgischen Gründen gewährt. Auch die Dialoge sind überwiegend fiktiv. Ich habe bewusst die Form des Romans gewählt. Ein Sachbuch zu schreiben stellt ja den Anspruch, dass wirklich jedes Detail der Wahrheit entspricht und verifiziert ist. Da hätte ich wohl Jahre für die Recherche aufwenden müssen.
Hat sich das Bild von deinem Vater während des Schreibens verändert?
In der Tat: Weil in der Familie kaum über diese Zeit geredet worden war, wurde mir erst während des Schreibens so richtig bewusst, was er damals durchleben musste. Ich habe mich oft gefragt, ob ich den Mut für seine Taten auch aufgebracht hätte.
Wie hast du dich in die verschiedenen Charaktere einfühlen können? Besonders die Folterszenen im Gefängnis sind sehr eindrücklich.
Ich habe mir bildlich wie in einem Film vorgestellt, was die Figuren in ihrer Situation und ihrem Umfeld fühlen, was sie denken, wie sie handeln. Bei meinem Vater war mir wichtig, eine Entwicklung aufzuzeigen. Er hat sich vom passiven, seinem Vater gehorchenden Sohn zu einem selbstbestimmten jungen Mann gemausert, der auf seinem Weg bewusst lebensbedrohende Risiken eingegangen ist.
Wie unterscheidet sich für dich das Schreiben eines Romans vom Texten für die Werbung?
Es sind wirklich zwei Paar Schuhe. Während der Werbetext pointiert und möglichst knapp das Interesse für ein Produkt oder eine Dienstleistung wecken will, soll der Romantext den Lesenden ermöglichen, in die Welt der Handlung einzutauchen, sich in Figuren einzufühlen, sich mit ihnen zu identifizieren, mit ihnen zu leiden. Daran musste ich mich erstmal gewöhnen. Für beide Arten von Texten gilt allerdings, dass man die Lesenden bei der Stange halten möchte.

Hemingway soll die Gewohnheit gehabt haben, seine Arbeit mitten im Satz zu unterbrechen, damit er am nächsten Tag genau wusste, wo und wie er weiter schreiben konnte. Hast auch du eine Schreibroutine entwickelt?
Ich habe versucht, jeden Morgen vier Stunden am Buch zu arbeiten, das heisst, zu recherchieren und zu schreiben. Ich glaube, es braucht eine gewisse Disziplin, sonst kann sich das Projekt endlos hinziehen.
Wie lange dauerte es vom Schreiben des ersten Satzes bis zur ersten Lesung?
Kommt darauf an, wie umfangreich das Buch ist… Bei mir waren es mehr als zwei Jahre. Das hat aber auch damit zu tun, dass ich die erste Fassung des Manuskripts zusammen mit einer Lektorin komplett überarbeitet habe. Dabei habe ich mir Zeit gelassen, die Zusammenarbeit war für mich sehr spannend.
Für wen hast du dieses Buch geschrieben? Wem empfiehlst du die Lektüre besonders?
Ich habe es für mich und meine Familie geschrieben – ich wollte etwas Bleibendes hinterlassen. Das Buch ist aber auch eine Botschaft (und Warnung) für alle, welche die Demokratie in Frage stellen und – ohne sich der Folgen bewusst zu sein – mit nationalistischen und autokratischen Ideologien liebäugeln. Ich denke, die Lektüre ist deshalb vor allem auch für jüngere Leute empfehlenswert.
Wie hat dich Festland bei deiner Arbeit unterstützt?
Bei der Gestaltung des Covers und der Karte, aber auch beim Satzspiegel durfte ich von der Erfahrung Katrins, die ja meine langjährige Mitarbeiterin war, profitieren.
Wo kann man das Buch beziehen?
Man kann es online in allen Buchhandlungen bestellen (Lieferfrist 4 bis 6 Tage) oder es als E-Book herunterladen. Natürlich kann man es auch direkt bei mir bestellen: lucasjanroos@gmail.com
Hast du Gefallen an der Schriftstellerei bekommen? Gibt es bereits ein neues Buchprojekt?
Das Schreiben meines Romans war für mich eine sehr spannende und erfüllende Erfahrung. Zurzeit gibt es kein neues Buchprojekt, aber ich schliesse nicht aus, dass es in Zukunft wieder eines geben könnte.
Danke, Lucas für das Gespräch.
Lucas Jan Roos wurde 1954 in Basel geboren, absolvierte in Zollikon ZH die Grundschulen und besuchte danach das Lehrerseminar in Küsnacht. Nach dem Abschluss an der Dolmetscherschule Zürich war er freier Mitarbeiter der Neuen Zürcher Zeitung im Ressort Sport und begann gleichzeitig seine Laufbahn als Texter/Konzepter. Er arbeitete in verschiedenen Zürcher Kommunikationsagenturen und machte sich 1995 selbständig. Im Jahr 2000 wurde er Partner und Mitinhaber von Festland, wo er bis Ende 2019 tätig war. «Der Untertaucher» ist sein erster Roman.

Jan Roos, ein 20-jähriger Holländer aus Amsterdam, wird 1944 zum Arbeitseinsatz nach Nazi-Deutschland einberufen. Mit Hilfe seines Vaters taucht er bei einer Bauernfamilie in Südholland unter. Dort wird er verraten, verhaftet und schliesslich auf eine Insel vor der holländischen Nordseeküste überführt, wo er an den deutschen Verteidigungsanlagen arbeiten muss. Zusammen mit drei Kameraden gelingt ihm die Flucht. Zurück in Amsterdam wird er Mitglied der «Palladijnen», einer aus studentischen Kreisen hervorgegangenen Widerstandsgruppe. Doch die Deutschen gehen mit grösster Brutalität gegen jegliche Art von Widerstand vor. Jan Roos und seine Mitstreiter müssen nicht nur gegen die übermächtigen Besatzer kämpfen, sondern immer mehr auch um ihr eigenes Überleben.

