Geschäftsbericht-Design: Wie die Pflicht zur Kür wird
Christian Sidow: Robert, gerade ist der aktuelle Geschäftsbericht der St.Galler Kantonalbank erschienen. Der 22. in Folge von Festland und der 21., den du gestaltet hast. Wie behält man diese Pflichtaufgabe über 20 Jahre lang frisch?
Robert Schiwy: Indem man sie eben nicht als jährliche Pflichtübung ansieht, sondern jedes Mal das letztjährige Produkt noch besser machen will. Dass uns das immer wieder gelingt, zeigt sich auch darin, dass der Geschäftsbericht der SGKB seit 2001 beim Schweizer Geschäftsberichte Rating von HarbourClub, Linkgroup und BILANZ regelmässig unter den besten 12 in der Endauswahl landet.
CS: Eine beachtliche Leistung, die ja 2021 mit dem zweiten Platz in der Gesamtwertung für den «Corona»-Geschäftsbericht unter dem Titel «Nähe trotz Distanz» gekrönt wurde. Und eine schöne Bestätigung, dass sich Kontinuität auszahlt.
RS: Ja, etwas auf das in der schnelllebigen Kommunikationsbranche oft zu wenig geachtet wird. Bei der SGKB versuchen wir die Kontinuität im Auftritt zu wahren und gleichzeitig das Gestaltungskonzept jedes Jahr im Detail weiter zu entwickeln. Während der Zahlenteil vor allem klar und aufgeräumt sein muss, dürfen wir im Berichtsteil kreativer sein – exemplarisch in der Bildstrecke. Zum Teil könnten diese Strecken auch als eigenständige Marketingkampagnen durchgehen.
Darf’s ein bisschen digitaler sein?
Wie die SGKB setzt auch der Kanton St.Gallen beim Geschäftsbericht auf Festland, und seit 2023 mit einem radikal digitalen Konzept: Unter berichte.sg.ch können sämtliche kantonalen Berichte im Web betrachtet oder als PDF gespeichert werden. Hinter der Navigation – Berichte, Zahlen, Menschen – steckt eine modulare Content-Struktur, die maximalen User-Fokus und minimalen Publishing-Aufwand verbindet.
CS: Gutes Stichwort: es ist noch nicht lange her, da waren die Investor Relations eher ein Stiefkind des Marketings – wenn sie denn überhaupt im Marketing thematisiert wurden. Was hältst du von diesem Silodenken?
RS: Gar nichts. Investoren sind genauso wichtige Stakeholder wie die Kundinnen und Kunden oder die Mitarbeitenden eines Unternehmens. Warum sollen sie also anders angesprochen werden? Ich stufe alle Ansprechgruppen als wichtig ein. Und als Menschen, die emotional erreicht und gut unterhalten werden wollen. Darauf schaue ich in der Gestaltung. Sei es bei einem Plakat, einer Broschüre, einem Magazin oder eben einem Geschäftsbericht.
CS: Nur dass es bei einem Geschäftsbericht für eine Bank viele Vorschriften gibt, die man beachten muss.
RS: Das stimmt. Geschäftsberichte für Finanzinstitute sind schon etwas komplexer, als andere. Die FINMA hat da ganz klare Vorgaben. Von der Strategie über Rück- und Ausblick bis zu den verschiedenen Geschäftsfeldern sowie internen und externen Stakeholdern muss alles abgehandelt werden. Und in den letzten Jahren wurden auch die ESG-Kriterien immer wichtiger.
CS: Also die Berücksichtigung von Kriterien aus den Bereichen Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance). Wie zeigt sich das in der Arbeit am Geschäftsbericht?
RS: Diese Bereiche waren schon immer Teil des Geschäftsberichts, man hatte nur noch nicht dieses «Label». Seit 2021 ist die SGKB aber dazu übergegangen, ESG vertieft in einem separaten Nachhaltigkeitsbericht zu thematisieren. Gestalterisch immer passend zum aktuellen Geschäftsbericht.
CS: Gibt es neben den gesetzlichen Vorgaben noch etwas Anderes, das die Arbeit am Geschäftsbericht herausfordernd macht?
RS: Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einem Geschäftsbericht viele Personen und Abteilungen in den Prozess involviert sind. Bei den meisten anderen Aufträgen ist ein zentrales Marketing auf Kundenseite im Lead. Hier ist das Marketing weniger involviert und andere Abteilungen übernehmen. Doch diese Koordinationsaufgaben werden von unseren Beraterinnen und Beratern hervorragend gemanagt. So, dass ich mich auf meine eigentliche Arbeit konzentrieren kann. Apropos, wie siehst du den textlichen Aspekt von Geschäftsberichten? Auch der Text darf ja nicht 08/15 sein.
CS: Ganz klar: Finger weg von Floskeln wie «in einem herausfordernden Marktumfeld ist es uns gelungen, unsere Stellung zu behaupten». Erst sprachliche Genauigkeit und eben auch Klarheit, machen einen Geschäftsbericht gut. Sprich, nicht nur angenehmer für die, die ihn von Berufswegen lesen müssen, sondern auch zugänglicher für alle, die ihn lesen wollen. Zum Schluss noch dies: Eine wichtige Entwicklung in den letzten Jahren ist natürlich die Digitalisierung – auch der Geschäftsberichte. Du hast diese Veränderung ja hautnah erlebt. Was ist deine Meinung dazu?
RS: Jeder Geschäftsbericht hat heutzutage seine digitale Entsprechung. So setzt die SGKB ihren Bericht jeweils nach unserem Konzept auch digital um. Es gibt aber auch Berichte, die nur noch digital herausgegeben werden. Bei diesem Thema schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Einerseits bietet die digitale Aufbereitung viele Möglichkeiten der Animation, was den Zahlenteil ansprechender und den Berichtsteil interessanter macht, weil man u.a. Grafiken «spektakulär» veranschaulichen kann. Andererseits bin ich, wie du sicher schon gemerkt hast, nach wie vor ein grosser Fan von Print. Besondere Haptik und Wertigkeit sind je nach Klientel sehr wichtig und differentieren die Wahrnehmung des Unternehmens erheblich. Auch von mir noch eine letzte Frage: Was können, deiner Meinung nach, Marken von Geschäftsberichten lernen?
CS: Jede Marke tut gut daran, Unternehmenskommunikation zu machen. Nicht nur wenn sie es – als börsenkotiertes Unternehmen – muss. Und die Kontinuität, von der wir schon gesprochen haben, ist sicher etwas, das noch mehr Marken leben könnten. Es zeigt sich ja, dass erfolgreiche Kampagnen kontinuierlich die gleichen Grundidee immer wieder neu erzählen. Ich denke da zum Beispiel an die Schadenskizzen der Mobiliar, die auch nach Jahren in der gleichen Optik nicht langweilen.
Weniger Pflicht, mehr Kür?
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